Herr Marquard, die Energiekrise ist aktuell in aller Munde. Wie schätzen Sie die Lage ein?
Die Menschen haben derzeit Angst, wie sie in Zukunft ihre Rechnungen bezahlen können. Alles wird teurer. Hinzu kommt bei vielen Menschen die Sorge um ihren Arbeitsplatz. Durch Preissteigerungen und durch die hohe Inflation kommt es zugleich aktuell zu Steuermehreinnahmen in Milliardenhöhe. Dieses Geld muss zur Dämpfung der Energiepreise eingesetzt werden. Daher ist es gut, dass der Staat nun reagiert hat, um die Bürger und Unternehmen zu entlasten. Dass beispielsweise die Rettung des Gas-Importeurs Uniper und ähnlicher Firmen nun ohne die ursprünglich geplante Umlage angegangen wird, halte ich für absolut richtig.
Flächendeckende Stromausfälle, sogenannte Blackouts, die derzeit breit diskutiert werden, wird es mit größter Wahrscheinlichkeit nicht geben.
Was lehrt uns die aktuelle Situation?
Die Energiekrise zeigt uns, wie wichtig gute Daseinsvorsorge ist. Das leisten die Stadtwerke in Deutschland hervorragend. Die Probleme liegen anderswo: Seit vielen Jahrzehnten hatten wir stabile Lieferverhältnisse mit Russland. Durch die NordStream-Pipeline fühlten wir uns sicher, dass wir keine Lieferprobleme mehr bekommen würden. Aus heutiger Sicht kaum mehr nachvollziehbar: Gasspeicher galten als unrentabel. Durch den Lieferstopp Russlands im Gasbereich wird uns nun bewusst, wie wertvoll die von dort gelieferte Energie gewesen ist. Es war insgesamt betrachtet zudem sicherlich ein Fehler, so schnell aus den fossilen Brennstoffen auszusteigen. Denn man kann unsere Versorgung nicht von heute auf morgen auf regenerative Energien umstellen.
Wie ist Ihre Prognose für die kommenden Monate?
Aktuell befürchten wir keine Gasmangellage, auch wenn diese nicht komplett ausgeschlossen werden kann. Die Gasspeicher sind jedenfalls voll, was uns einen wertvollen Puffer verschafft. Außerdem fließt nach wie vor viel Gas über Pipelines nach Deutschland, zum Beispiel aus Norwegen und Frankreich. Zu den günstigen Preisen wie vor dem Krieg werden wir aber wohl nicht mehr zurückkommen, denn wir müssen nun Gas auf dem globalen Markt einkaufen. Dennoch gilt: Ohne Gasversorgung kann Deutschland die Transformation in der Wirtschaft und in der Wärmeversorgung nicht schaffen – das wird noch mehrere Jahre dauern. Und immerhin ist zu beobachten, dass die Gaspreise langsam wieder sinken. Allerdings weiß niemand, wie es weitergeht. Daher sind wir gut beraten, vorsichtig zu sein.
Richten wir den Blick auf die Privatkunden. Wie stellt sich hier die Lage dar?
Für unsere langjährigen SWP-Kunden zahlt sich ihre Treue nun doppelt aus: Sie können sich sicher sein, dass sie mit Energie versorgt werden. Und durch unsere auf Langfristigkeit angelegte Beschaffungsstrategie sind die Preisanstiege bei uns nicht in dem Maße erforderlich, wie das andernorts oft der Fall ist. Ein Blick auf die Vergleichsportale zeigt: Wer als Hausbesitzer einen neuen Gasvertrag abschließen will, muss dafür je nachdem bis zu 1000 Euro im Monat bezahlen. Die SWP liegen deutlich unter den derzeitigen Marktpreisen. Dennoch beobachten wir eine massive Zunahme beim Beratungsbedarf in unserem Kundencentrum: Die Verunsicherung der Menschen ist groß.
Wie wird dieser Herausforderung begegnet?
Die SWP haben bereits reagiert und neue Mitarbeiter eingestellt, dennoch ist das Aufkommen vor allem in den Telefonleitungen kaum abzuarbeiten. Wir empfehlen daher eine Terminvereinbarung zum persönlichen Gespräch direkt im Kundencentrum. Abschlagsänderungen oder Zählerstandsmitteilungen beispielsweise können auch direkt über das Kundenportal auf der Homepage der SWP eingegeben werden. Auf unserer Internetseite www.stadtwerke-pforzheim.de finden sich zudem jede Menge weitere Informationen zur aktuellen Situation und umfangreiche Energiespartipps.
Wie bewerten Sie die Position der SWP in dieser Krise?
Die Stadtwerke Pforzheim haben ihre Hausaufgaben gemacht und sich langfristig Energie für ihre Bestandskunden gesichert. Wir können ihnen deshalb auch 2023 eine stabile Energieversorgung garantieren – mit moderateren Preisanpassungen im Vergleich zum aktuellen Marktpreisgeschehen. Dass es insgesamt teurer wird, können aber auch wir leider nicht verhindern. Ein wesentlicher Faktor hierfür sind Tausende von Verbrauchern, deren Festpreis-Verträge von ihren bisherigen Anbietern (überwiegend Discountern) gekündigt werden und die dann ohne Versorger dastehen und bei den SWP in der Grundversorgung aufgenommen werden müssen. Diesen zusätzlichen, ungeplanten Energiebedarf müssen wir am Markt teuer zukaufen und einpreisen. Dennoch gilt natürlich: Die Menschen bezahlen nur, was sie auch verbrauchen! Daher ist es so wichtig, überall dort zu sparen, wo dies möglich ist.
Befürchten Sie in dieser Gemengelage viele Zahlungsausfälle?
Das ist ein ernstzunehmendes Problem, das auf alle Stadtwerke zukommen wird. Aktuelle Schätzungen der Energieverbände gehen davon aus, dass zehn bis 15 Prozent der Kunden ihre Energierechnungen eventuell nicht begleichen können. Das sind Zahlen, die für Energieversorger nicht verkraftbar wären. Der Staat muss daher Vorsorge treffen, dass es dazu gar nicht kommen wird. Die nun beschlossene Gaspreisbremse ist ein guter Schritt – allerdings darf kritisiert werden, dass diese erst im Frühjahr für die Privatkunden greifen wird. Gut ist hingegen die Absenkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 7 Prozent beim Gas. Das entlastet die Menschen deutlich. Ebenso, dass der Gas-Abschlag in diesem Dezember vom Staat bezahlt wird.
Die Gaspreisbremse ist ein gutes Stichwort. Wie wird sich diese konkret auswirken?
Die Verbraucher sollen ab dem kommenden Frühjahr 80 Prozent des Gas-Grundkontingents zu maximal zwölf Cent je Kilowattstunde erhalten. Für alles, was darüber liegt, soll der Staat aufkommen – quasi ein staatlicher Zuschuss auf die Abschlagszahlung bis mindestens Ende April 2024. Die Details müssen zwar noch ausgearbeitet werden, aber es ist eine Tendenz erkennbar, wohin die Reise geht. Angenommen also, ein Haushalt verbraucht im Jahr 15000 Kilowattstunden Gas: Der Kunde würde dann 12000 Kilowattstunden zum subventionierten Preis von zwölf Cent pro kWh bekommen, macht 1440 Euro im Jahr. Für alles, was er darüber hinaus verbraucht, müsste er den üblichen Tarif seines Versorgers bezahlen. So ist der Anreiz zum Sparen weiterhin gegeben.
Die Stadtwerke Pforzheim haben ihre Hausaufgaben gemacht und sich langfristig Energie für ihre Bestandskunden gesichert. Wir können ihnen deshalb auch 2023 eine stabile Energieversorgung garantieren.
Nicht nur die Preise sind ein großes Thema, sondern auch die Versorgungssicherheit mit Wärme. Wie sehen Sie die SWP in diesem Bereich aufgestellt?
Pforzheim steht hier sehr gut da. Wir haben eine großflächige Versorgung mit Fernwärme, die wir noch weiter ausbauen wollen. Dafür werden in den nächsten Jahren zirka zehn Millionen Euro investiert. Die Fernwärme-Quote soll dadurch mittelfristig von 60 auf 80 Prozent steigen. Schon heute haben wir 20000 Haushalte direkt an die Fernwärme angebunden, diese werden also direkt über unser Heizkraftwerk am Enzauenpark versorgt.
Wie soll dieser Ausbau konkret vonstattengehen?
In der Pforzheimer Innenstadt werden wir die Fernwärmeversorgung Stück für Stück ausbauen und – wo derzeit parallel zur Fernwärme auch Gasleitungen liegen – das Gasnetz entsprechend zurückbauen. Hier hoffen wir auch auf Unterstützung des Gemeinderats, der die Weichen stellen könnte, um Fernwärme in den entsprechenden Quartieren verpflichtend festzuschreiben. Schon heute entscheiden sich viele Kunden freiwillig für die Fernwärme – etwa die Arlinger-Baugenossenschaft mit ihrem Hochhaus-Projekt „Carl“. Das wird ein echtes Leuchtturmprojekt. Zudem wollen wir die Umstellung von vielen Wohnhäusern im Arlinger von Öl auf Fernwärme bewerkstelligen. Das Schöne: Die Fernwärme ist in Zukunft auch offen für den Betrieb mit zukunftsträchtigen Energieträgern wie beispielsweise Wasserstoff.
Die Fernwärme-Quote soll auf 80% steigen.
Und das Heizkraftwerk kann all das verkraften?
Unser Heizkraftwerk ist im Notfallplan Gas der Bundesregierung als schützenswerter Kunde eingestuft, da es der Versorgung von knapp 20000 Haushalten mit Wärme dient. Das heißt, die Gasmotoren, die wir in Spitzenlastzeiten betreiben, sind systemrelevant. Bis zur Frostgrenze kommen wir aber bei der Fernwärme alleine mit Biomasse aus, also dem Verbrennen von Holzabfällen. Zudem haben wir noch ein Öllager, mit dem wir im Notfall Gas ersetzen könnten. Auch der Kugelgasspeicher wird entsprechend befüllt und kann zum Ausgleich eingesetzt werden.
Sind weitere entsprechende Quartierlösungen im Gespräch?
Wir haben hier einiges in der Pipeline: So planen wir beispielsweise konkrete Quartierskonzept für eine Neubebauung in der Gesellstraße und in Dillweißenstein. Dort soll ein Nahwärmekonzept für die Gebäudekomplexe rund um das traditionelle Nagoldfreibad realisiert werden. Hinzu kommt das Solarprojekt am ehemaligen Holzhof-Stadion und im Gewerbegebiet Pforzheim-Nord planen wir ein Pilotprojekt zum Thema Wasserstoff. Bis zum kommenden Sommer werden wir in Pforzheim und den Stadtteilen zudem auch 100 SWP-Ladepunkte für E-Autos zur Verfügung stellen.